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03.04.2023 | Apoplex | Nachrichten

Schlaganfall: Neue Patientengruppe für „späte“ Thrombektomie identifiziert

verfasst von: Peter Overbeck

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Eine weitere Studie bestätigt, dass eine endovaskuläre Thrombektomie bei ischämischem Schlaganfall auch in der Zeit zwischen sechs und 24 Stunden nach Symptombeginn noch von Nutzen ist. Sie liefert zugleich ein neues und vereinfachtes Kriterium für die Selektion von dafür geeigneten Patienten.

Die mechanische Thrombektomie ist inzwischen ein Standardverfahren zur Behandlung eines akuten ischämischen Schlaganfalls aufgrund eines proximalen Verschlusses großer hirnversorgender Arterien („large vessel occlusion“, LVO) der vorderen Hirnzirkulation. In zwei randomisierten Studien (DAWN und DEFUSE-3) ist bislang gezeigt worden, dass die Anwendung dieses katheterbasierten Therapieverfahrens auch im Zeitfenster zwischen sechs und 24 Stunden nach Schlaganfallbeginn noch zu besseren neurologischen Ergebnissen führt als eine konventionelle Therapie. Allerdings galten für beide Studien sehr strikte Kriterien für die Patientenselektion, die auf Basis einer zerebralen Bildgebung mittels Perfusions-CT oder Perfusions- und Diffusions-Kernspintomografie erfolgte.

Selektion mithilfe einer vereinfachten Bildgebung

In der aktuell im Fachblatt „Lancet“ publizierten MR CLEAN-LATE-Studie wollten niederländische Untersucher die Frage klären, ob auch eine vereinfachte Bildgebung ohne komplexere Perfusions-CT- oder MRT-Diagnostik zur Selektion von geeigneten Schlaganfall-Patienten für eine endovaskuläre Thrombektomie im späten Zeitfenster von bis zu 24 genutzt werden kann. Die Auswahl der Teilnehmer für diese Stude erfolgte primär auf Basis des Nachweises bestehender arterieller Kollateralen in der CT-Angiografie (CTA). Kollateralen können mitentscheidend dafür sein, inwieweit sich in ischämischen Hirnarealen eine Progression bis hin zum irreversiblen Infarkt vollzieht.

Im Ergebnis zeigte sich, dass eine endovaskuläre Thrombektomie auch bei Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall, die in der CT-Angiografie nachweisbare Kollateralen aufwiesen und erst sechs bis 24 Stunden nach Ereignisbeginn behandelt wurden, zu besseren funktionellen Ergebnissen nach 90 Tagen führte als eine medikamentöse Standardtherapie.

Thrombektomie künftig noch breiter anwendbar

Patienten, die die perfusionsbasierten und klinischen DAWN- oder DEFUSE-3-Kriterien erfüllten, waren aus ethischen Gründen nicht in die Studie aufgenommen worden. Einschlusskriterium dieser Studien war bekanntlich eine Diskrepanz (Mismatch) zwischen (relativ kleinem) Infarktkern und noch „rettbarer“ Penumbra (DEFUSE-3) bzw. zwischen Infarktkern und der Schwere der klinischen Ausfälle (DAWN).

Anhand des leichter und schneller zu erbringenden Kollateralfluss-Nachweises ist durch MR CLEAN-LATE nun eine ganz neue Patientengruppe identifiziert worden, die augenscheinlich ebenfalls von einer mechanischen Rekanalisation verschlossener Hirnarterien klinisch profitiert. Das Anwendungsgebiet für dieses interventionelle Therapieverfahren dürfte damit in Zukunft deutlich breiter werden.

Chance auf besseres funktionelles Ergebnis signifikant erhöht

In der MR CLEAN-LATE-Studie waren an Zentren in den Niederlanden 502 Patienten (davon 52% Frauen) mit ischämischem Schlaganfall nach Randomisierung entweder einer endovaskulären Thrombektomie (n=255) unterzogen (innerhalb von sechs bis 24 Stunden nach Symptombeginn) oder einer nur mit Medikamenten behandelt Kontrollgruppe (n=247) zugeteilt worden. Bei allen Teilnehmern waren zuvor Kollateralen in der CTA-Bildgebung dokumentiert worden, wobei außer einem guten oder moderaten auch ein schlechter Kollateralfluss schon für den Studieneinschluss ausreichte. Nur Patienten ohne jegliche Kollateralen blieben von der Studienteilnahme ausgeschlossen.

Primärer Studienendpunkt war der funktionelle Status der Patienten nach 90 Tagen, beurteilt anhand der modifizierten Rankin-Skala (mRS). Bei einer medianen mRS-Punktezahl von 3 versus 4 nach 90 Tagen war die Chance auf ein besseres funktionelles Ergebnis für Patienten der Thrombektomie signifikant um nahezu den Faktor 1,7 höher als für konventionell behandelte Schlaganfall-Patienten (adjustierte Odds Ratio, OR: 1,67; 95%-KI: 1,20–2,32).

Mit Raten von 24% versus 30% war die Gesamtmortalität in der Thrombektomie- und Kontrollgruppe nicht signifikant unterschiedlich (adjustierte OR: 0,72; 95%-KI: 0,44–1,18). Von symptomatischen intrakraniellen Blutungen waren 17 Patienten mit endovaskulärer Therapie und vier Patienten mit konventioneller Therapie betroffen (7% vs. 2%; adjustierte OR: 4,59; 95%-KI: 1,49–14,10]. Die Rate für solche Blutungen in der Interventiongruppe der MR CLEAN-LATE-Studie entspricht damit in etwa den in der DAWN- und DEFUSE-3-Studie beobachteten Raten.

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Literatur

Olthuis S. et al. Endovascular treatment versus no endovascular treatment after 6-24 hours in patients with ischaemic stroke and collateral flow on CT angiography (MR CLEAN-LATE) in the Netherlands: a multicenter, open-label, blinded-endpoint, randomized, controlled, phase 3 trial. The Lancet 2023; https://doi.org/10.1016/S0140-6736(23)00575-5

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