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DOOR-Syndrom

Verfasst von: Heike Kaltofen, Dierk A. Vagts, Uta Emmig und Peter Biro
DOOR-Syndrom.
Synonyme
DOORS-Sy; Deafness Onychodystrophy Osteodystrophy mental Retardation and Seizures-Sy (engl.); Schwerhörigkeit-Onychodystrophie-Osteodystrophie-Intelligenzminderung
Oberbegriffe
Neurometabolische Erkrankung, Multisystemerkrankung.
Organe/Organsysteme
Innenohr, Phalangen, Finger-und Fußnägel, zentrales und peripheres Nervensystem, Gesichtsschädel.
Inzidenz
<1:1.000.000. Bisher sind ca. 50 Fälle berichtet.
Ätiologie
Autosomal rezessiver Erbgang. In ca. 50 % der beschriebenen Fälle ist eine Mutation des TBC1D24-Gens nachzuweisen, welche zu einer verminderten Aktivität der 2-Oxoglutarsäure-Dehydrogenase führt. Es handelt sich hierbei um ein Enzym, welches eine Schlüsselrolle im Energiestoffwechsel und in der Biosynthese beinhaltet. Die genaue Ätiologie des Syndroms ist noch nicht geklärt.
Verwandte Formen, Differenzialdiagnosen
Digito-reno-zerebrales Sy (möglicherweise identisch mit DOOR Sy), Eronen-Sy, Coffin-Siris-Sy, Fryns-Sy, Nicolaides-Baraitser-Sy, Zimmerman-Labrand-Sy, Schwerhörigkeit-Onychodystrophie-Sy, Cooks-Sy, Goodman-Moghadam-Sy.

Symptome

Das Akronym DOOR steht für Deafness (Taubheit), Onychodystrophie (abnormes Nagelwachstum), Osteodystrophie (abnormes Knochenwachstum der Phalangen), mentale Retardierung. Die Ausprägung der Symptome kann sehr stark variieren. Hauptsymptome sind kongenitale beidseitige sensorineuronale Taubheit, hypoplastische oder fehlende Fuß- und Fingernägel, schmale und verkürzte Phalangen sowie mentale Retardierung.
Vergesellschaftet mit
Polyhydramnion und verstärkte Nackenfalte während der Schwangerschaft, breite Nasenwurzel, lange vertikale Vertiefung zwischen Nase und Oberlippe, hoher Gaumen, Zahnanomalien, leicht verkürzter Unterkiefer, tiefer Ohransatz. Sehr häufig bestehen von Geburt an schwer zu therapierende generalisierte tonisch-klonische Krampfanfälle, die mehrfach täglich auftreten können. Weitere progrediente neurologische Symptome manifestieren sich als Sehnervatrophie, Zerebralparese, Hirnatrophie, frontotemporale Hypoplasie, Hyporeflexie, periphere Polyneuropathie, muskuläre Hypotonie, Schluckstörungen, rezidivierende Aspirationspneumonien. Im Neugeborenenalter können zentral bedingte Apnoen auftreten.
In ca. 20 % der Fälle ist eine kongenitale kardiale oder urogenitale Fehlbildung assoziiert. Im Erwachsenenalter entwickeln die Patienten aufgrund von Immobilität häufig eine Adipositas mit entsprechender Komorbidität.
Seltene Symptome sind ein fehlender äußerer Gehörgang, Katarakt, Nystagmus, Strabismus, Koronarsynostose, Aplasie der 12. Rippe, Klumpfuß, lumbale Skoliose, Spina bifida occulta, Wirbelfehlbildungen, Sirenomelie, partielle kutane Syndaktylie, Dandy-Walker-Syndrom, Thrombozytose, große Nebennieren.
Therapie
Aktuell existiert keine ursächliche Therapie. Als supportive Maßnahme ist bei Säuglingen manchmal eine Ernährungssonde notwendig. Die Therapie der Krampfanfälle mit Antiepileptika gestaltet sich oft schwierig. Die Anzahl der Fälle ist bisher zu gering, um eine Aussage bezüglich der Langzeitprognose zu treffen. Das Erwachsenenalter kann erreicht werden, ca. 30 % der Patienten versterben jedoch bereits im Kleinkindesalter meist infolge eines Status epilepticus.

Anästhesierelevanz

Spezielle präoperative Abklärung
Sorgfältige kardiale Evaluation (Echokardiografie), Nierenfunktionsparameter, Optimierung der antiepileptischen Therapie.
Wichtiges Monitoring
EKG, Pulsoximetrie, Kapnometrie.
Vorgehen
Perioperativ darf die antiepileptische Therapie nicht unterbrochen werden. Interaktionen der Antiepileptika mit den Anästhetika sind zu beachten. Viele der älteren Antiepileptika (Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Primidon) haben über die Beeinflussung der hepatischen Cytochrom P450-Isoenzyme enzyminduzierende Eigenschaften. Valproat hemmt hingegen das hepatische mikrosomale Enzymsystem und kann so den Metabolismus von Komedikationen beeinträchtigen. Gabapentin, Iamotrigin, Levetiracetam und Vigabatrin beeinflussen nicht die hepatische Enzymaktivität.
Wichtig ist eine perioperative Stressabschirmung zur Vermeidung von Krampfereignissen. Prinzipiell muss aufgrund der mentalen Retardierung und Taubheit mit Unkooperativität gerechnet werden. Sofern kein Schlafapnoe-Risiko besteht, empfiehlt sich eine Prämedikation mit Benzodiazepinen.
Aufgrund der Gesichtsdeformitäten ist mit einer erschwerten Atemwegssicherung zu rechnen. Entsprechende Vorbereitungen, sind zu treffen. Eine fiberoptische Intubation wird wegen der oben genannten mentalen Retardierung und Taubheit nur unter tiefer Sedierung bzw. Anästhesie durchgeführt werden können, möglicherweise über den Einsatz einer Larynxmaske.
Zur Narkoseeinleitung eignen sich Propofol und Thiopental, die Aufrechterhaltung der Anästhesie erfolgt am besten mit Desfluran oder Isofluran. Sevofluran kann in niedriger Dosierung ebenfalls eingesetzt werden. Intraoperativ sollte Normoventilation angestrebt werden. Opioide können grundsätzlich eine Krampfaktivität verstärken und sollten daher mit Bedacht eingesetzt werden. Bei Vorhandensein einer muskulären Hypotonie sollte die Dosierung von Muskelrelaxanzien reduziert werden. Neuromuskuläres Monitoring ist aufgrund der krankheitsassoziierten Neuropathie möglicherweise nicht aussagekräftig.
Rezidivierende Aspirationen aufgrund von Schluckstörungen können ein hyperreagibles Atemwegssystem bedingen.
In Abhängigkeit von der Ausprägung des Krankheitsbildes ist postoperativ eine intensivierte Überwachung sinnvoll.
Bisher existiert zu diesem Krankheitsbild nur ein einziger Fallbericht. Es wird eine etwas erschwerte, konventionelle tracheale Intubation beschrieben. Postoperativ kam es außerdem nach balancierter Anästhesie mit Sevofluran und Fentanyl zu einem selbstlimitierten diskreten fokalen Krampfanfall.
Cave
Unkooperativität, erschwerter Atemweg, Herz- bzw. Nierenbeteiligung, Neuropathie, Krampfanfall.
Weiterführende Literatur
Campeau PM, Hennekam RC (2014) DOORS syndrome: phenotype, genotype and comparison with Coffin-Siris syndrome. Am J Med Genet Part C Semin Med Genet 166C:327–332CrossRef
James AW, Miranda SG, Culver K et al (2007) DOOR syndrome: clinical report, literature review and discussion of natural history. Am J Med Genet A 143A:2821CrossRef
Michalek P, Donaldson W, Abraham A (2009) Anesthetic management of an adult patient with DOOR syndrome: a case report. Cases J 2:7593CrossRef
Perks A, Cheema S, Mohanraj R (2012) Anaesthesia and epilepsy. Br J Anaesth 108(4):562–571CrossRef