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Wiedemann-Beckwith-Combs-Syndrom

Verfasst von: Heike Kaltofen, Dierk A. Vagts, Uta Emmig und Peter Biro
Wiedemann-Beckwith-Combs-Syndrom.
Synonyme
Exomphalos-Makroglossie-Gigantismus-Sy; EMG-Sy; Beckwith-Wiedemann-Sy
Oberbegriffe
Gigantismus, Makrosomie, Viszeromegalie, Splanchnomegalie, Missbildungen.
Organe/Organsysteme
Zunge, Gesichtsschädel, Bauchdecke, Gastrointestinaltrakt, Genitale, Inselzellen.
Inzidenz
1:6000 Geburten. Es sind v. a. Neugeborene und Säuglinge betroffen. Häufig kommt es zu einer Besserung der Problematik mit zunehmendem Alter.
Ätiologie
Kongenital und hereditär. Variable genetische Mutationen auf dem Chromosom 11p15. Auftreten in 85 % der Fälle sporadisch. Die Mutationen bedingen eine Überproduktion des Wachstumsfaktors IGF-2 (insuline-like-growth-factor 2), welcher biochemisch dem Insulin verwandt ist.
Die molekulare Diagnostik ist schwierig.
Verwandte Formen, Differenzialdiagnosen
Transitorischer Diabetes mellitus des Neugeborenen (Fetopathia diabetica), Gigantismus-Sy, isoliert auftretende Makroglossie, Exomphalos, Akromegalie, Leprechaunismus-Sy, Seip-Lawrence-Sy, ventrales Defekt-Sy, Myxödem, (kongenitales Hypothyreose-Sy), Pfaundler-Hurler-Sy.
Nicht zu verwechseln mit: Wiedemann-Lenz-(Dysmelie-)Sy = intrauterine Thalidomid-Embryopathie.

Symptome

Makrosomie (auch als Hemihypertrophie), Geburtsgewicht meist >4 kg, Gigantismus, Viszeromegalie, Splanchnomegalie (Hepatosplenomegalie), Makrostomie, Makroglossie, Hernien (v. a. Nabelhernien, Omphalozelen), Kardiomegalie, Herzvitien, syndromtypische Y-Einkerbung an den relativ großen Ohrläppchen.
Gelegentliche Symptome: Hyperplasie der Mandibula (Progenie), Hypoplasie der Maxilla (Mikrognathie), Mikrozephalie, Naevus flammeus, Nebennierenmarkdysplasie.
Häufig kommt es zu einer Besserung der Problematik mit zunehmendem Alter.
Vergesellschaftet mit
Flügelfell (Pterygium), Immundefekte, Polyzythämie, Neoplasien (Wilms-Tumoren, Nebennierenrindentumoren, Hepatoblastome).
Ein anästhesiologisch sehr bedeutsames Problem ist die Glykolabilität, v. a. als Hypoglykämie aufgrund einer Inselzellhyperplasie und Hyperinsulinismus. Diese können im Säuglingsalter zu zerebralen Schäden mit geistiger Retardierung führen. Gastroschisis und Hydramnion während der intrauterinen Periode.
Therapie
Glukosesubstitution unter häufigen Blutzuckerkontrollen, Zungenteilresektion, Herniotomie.

Anästhesierelevanz

Risiko der oberen Atemwegsobstruktion aufgrund einer Makroglossie. Auf eine orale Prämedikation sollte verzichtet werden. Mit Intubationsschwierigkeiten ist zu rechnen. Es bestehen eine höhere Infektanfälligkeit (Immundefizienz) und eine erhöhte Krampfbereitschaft. Bei Neugeborenen und Säuglingen kann die periphervenöse Punktion bzw. Kanülierung sehr schwierig sein. Glykolabilität, Fütterungsschwierigkeiten aufgrund der Makroglossie.
Spezielle präoperative Abklärung
Blutzuckertagesprofil.
Wichtiges Monitoring
Kontinuierliche Temperaturmessung und häufige Blutzucker- und Elektrolytkontrollen, Pulsoxymetrie, Kapnographie.
Vorgehen
Zur Beherrschung von Intubationsproblemen entsprechendes Instrumentarium bereithalten. Ausreichende Erfahrung ist wichtig. Es besteht eine gute Indikation für die elektive wachfiberoptische Intubation. Alternativ kann auch eine inhalative Narkoseeinleitung durchgeführt werden. Großzügiger Einsatz von oropharyngealen oder nasopharyngealen Atemwegshilfen. Darüber hinaus kommen auch videooptisch erweiterte Techniken in Frage, wie die Intubation mit dem Videolaryngoskop oder dem Videostilett. Es sind auch unkomplizierte endotracheale Intubationen beschrieben. Die Trachea kann einen größeren Durchmesser aufweisen als erwartet. Über Probleme mit der Extubation wegen einer Tracheomalazie ist berichtet worden. Es wird empfohlen, Endotrachealtuben zu wählen, die bei einem Beatmungsdruck von ≥20–25 cm H2O ein Leck aufweisen.
Perioperativ sind häufige Blutzucker- und Elektrolytkontrollen angebracht. Während der Nüchternheitsphase sollte insbesondere Säuglingen eine glucosehaltige Infusion intravenös appliziert werden. Defizite sind entsprechend zu substituieren, allerdings sollte man wegen der reaktiv überschießenden Insulinsekretion die Glukosesubstitution kontinuierlich und nicht in Bolusform durchführen. Andernfalls kann es erneut zu Hypoglykämiephasen kommen, die besonders gefährlich sind, wenn sie in Narkose unbemerkt verlaufen.
Wegen des hohen intraabdominellen Drucks empfiehlt es sich, eine Magensonde zu legen.
Cave
Hypoglykämie, Auskühlung, Makroglossie.
Weiterführende Literatur
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