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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 01.03.2023

Erkrankungen der Synovialmembran des Kniegelenkes: Infektiöse Arthritis

Verfasst von: Andreas Roth, Nadine Dietze, Norman Lippmann, Katrin Heinitz, Donald Ranft, Sebastian Wendt, Henning Trawinski und Christoph Lübbert
Die Infektion eines nicht-prothetisch versorgten Gelenks („septische Arthritis“) ist immer ein infektionschirurgischer Notfall, der umgehend erkannt und therapiert werden muss, sowie bestenfalls interdisziplinär versorgt werden sollte. Die Prognose (Gelenkdestruktion, dauerhafte Funktionseinschränkung, Letalität) hängt neben der Grunderkrankung, dem definitiven Erreger sowie dem Krankheitsstadium entscheidend von einer raschen und adäquaten Intervention ab. Die infektiöse oder septische Arthritis (IA) ist eine Gelenkentzündung infektiöser Ätiologie, die in der Regel bakteriell verursacht ist – gelegentlich als Sonderform auch durch Pilze, spezielle Bakterien wie Mykobakterien oder Borrelien, Viren oder andere seltene Pathogene. In diesem Kapitel wird schwerpunktmäßig die „klassische“ bakterielle IA behandelt. Diese tritt für gewöhnlich monoartikulär auf und befällt vorzugsweise große Gelenke, wie z. B. das Knie- oder Hüftgelenk. Es gibt aber auch polyartikuläre septische Arthritiden sowie Infektionen der kleinen Gelenke.

Einleitung

Die Infektion eines nicht-prothetisch versorgten Gelenks („septische Arthritis“) ist immer ein infektionschirurgischer Notfall, der umgehend erkannt und therapiert werden muss sowie bestenfalls interdisziplinär versorgt werden sollte. Die Prognose (Gelenkdestruktion, dauerhafte Funktionseinschränkung, Letalität) hängt neben der Grunderkrankung, dem definitiven Erreger sowie dem Krankheitsstadium entscheidend von einer raschen und adäquaten Intervention ab.

Definition

Die infektiöse oder septische Arthritis (IA) ist eine Gelenkentzündung infektiöser Ätiologie, die in der Regel bakteriell verursacht ist – gelegentlich als Sonderform auch durch Pilze, spezielle Bakterien wie Mykobakterien oder Borrelien, Viren oder andere seltene Pathogene. In diesem Kapitel wird schwerpunktmäßig die „klassische“ bakterielle IA behandelt. Diese tritt für gewöhnlich monoartikulär auf und befällt vorzugsweise große Gelenke, wie z. B. das Knie- oder Hüftgelenk. Es gibt aber auch polyartikuläre septische Arthritiden sowie Infektionen der kleinen Gelenke (Momodu und Savaliya 2020).
Die meisten Fälle haben ihre Ursache in einer hämatogenen Streuung im Rahmen einer Bakteriämie. Seltener sind Weichgewebsinfektionen die Ursache, welche sich direkt in das Gelenk fortsetzen. Das direkte Einbringen von Bakterien erfolgt bei einer traumatischen Gelenkeröffnung, einer offenen Fraktur oder Luxation, bei iatrogenen Gelenkpunktionen oder intraartikulären Injektionen, aber auch durch Tierbisse (Rodrigues et al. 2020; Stake et al. 2020).
Die IA ist ein medizinischer Notfall mit hoher Morbidität und Letalität. Sie kann zu erheblicher Gelenkdestruktion und Funktionseinschränkung führen. Eine frühe Diagnose und adäquate Behandlung sind daher entscheidend für den Schutz der Gelenkfunktion und zur Vermeidung von weiterführenden Komplikationen (Momodu und Savaliya 2020).
Es gibt mehrere Synonyme bzw. Begriffe, welche in diesem Zusammenhang verwendet werden: u. a. bakterielle, eitrige oder septische Arthritis, Gelenkempyem und Pyarthros.

Epidemiologie

Die Häufigkeit der infektiösen Arthritis ist in den letzten Jahren gestiegen und liegt zwischen 2 bis 6 Fällen pro 100.000 Einwohnern, variiert jedoch in Abhängigkeit von Risikofaktoren (Sendi et al. 2017). Sie tritt bei Kindern (insbesondere zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr) häufiger auf als bei Erwachsenen. Der Erkrankungsanteil zwischen Jungen und Mädchen beträgt etwa 2:1. Auch Personen im Senium sind häufiger betroffen als jüngere Erwachsene (Momodu und Savaliya 2020).

Klassifikation

Eine Klassifikation, welche alle für eine IA wichtigen Faktoren berücksichtigt, gibt es bislang nicht (Schmidt und Bühler 2019).
Für die arthroskopische Beurteilung hat sich die Klassifikation nach Gächter und Stutz bewährt (Gächter 1993; Stutz et al. 2000; Stutz und Gächter 2001) (Tab. 1).
Tab. 1
Arthroskopische Klassifikation einer nativen Gelenkinfektion nach Gächter
Stadium
 
I
• Synovialitis
• trübe Gelenkflüssigkeit
• mögliche petechiale Blutungen
II
• Pus
• Fibringerinsel
III
• Verdickung der Synovialmembran bis zu mehreren Zentimetern
IV
• Pannus
• aggressive Synovialitis
• radiologisch sichtbare Veränderungen
• subchondrale Erosionen
Schmidt und Bühler (2019) unterscheiden 4 Stadien, die sich zur Beurteilung der individuellen Gelenkinfektion auch am offenen Gelenk gut anwenden lassen: Stadium I (Synovialishyperämie), Stadium II (Synovialishypertrophie), Stadium III (Synovialisschwamm) und Stadium IV (Synovialisschwamm und Knorpelschäden) (Schmidt und Bühler 2019).
Die septische Arthritis kann isoliert als primäre septische Arthritis oder im Zusammenhang mit einer systemischen Infektion als sekundäre Form vorkommen (Stake et al. 2020). Wenn eine relevante systemische Infektion zugrunde liegt, ergibt sich ein insgesamt höheres Mortalitätsrisiko (Abram et al. 2020).

Ätiologie

Über alle Altersgruppen hinweg sind Staphylococcus aureus und Streptokokken die bedeutendsten Erreger bei septischen Arthritiden, sodass diese grampositiven Kokken bei der empirischen Therapie in jedem Fall zu berücksichtigen sind.
Bei Kindern ist meist das Hüftgelenk betroffen. Die häufigsten Erreger sind in dieser Altersgruppe insbesondere Staphylococcus aureus und – zwischen dem 2. und 3. Lebensjahr – die gramnegativen Bakterien Kingella kingae und Haemophilus influenzae. Bei Neugeborenen kommen insbesondere Streptococcus agalactiae (Streptokokken der Gruppe B, GBS), Enterobakterien sowie gelegentlich Neisseria gonorrhoeae (bei unerkannter mütterlicher Infektion und vaginaler Geburt) vor. Im Rahmen von Meningokokken-Septikämien (Waterhouse-Friderichsen-Syndrom) und -Meningitiden oder oropharyngealen Meningokokken-Besiedlungen kann selten auch Neisseria meningitidis Gelenkentzündungen verursachen. Eine ähnliche Ätiopathologie zeigt sich bei Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken).
Beim Erwachsenen ist das Kniegelenk, gefolgt vom Hüftgelenk, am häufigsten betroffen. In dieser Altersklasse findet sich meist Staphylococcus aureus als Verursacher, seltener Streptococcus pneumoniae, Salmonellen (bei Sichelzell-Anämie), Enterokokken, coliforme Enterobakterien und Pseudomonaden (bei Traumata und Wundpunktionen).
Bei Patienten mit chronischen Erkrankungen (z. B. dialysepflichtige Niereninsuffizienz), vorausgegangenen Krankenhausbehandlungen und Antibiotikatherapien muss auch mit multiresistenten Erregern (MRE) wie z. B. Methicillin-resistenten S. aureus (MRSA) gerechnet werden – ebenso bei bereits bekannter MRE-Besiedlung in der Vorgeschichte.
Bei jungen, sexuell aktiven Patienten sollte auch an eine Infektion mit Neisseria gonorrhoeae (Gonokokken) gedacht werden, die – trotz meist moderaten klinischen Untersuchungsbefunds – oft perakut und hochschmerzhaft verläuft.
Patienten mit Leukämie sind anfällig für eine Infektion mit wasserkontaminierenden Bakterien wie Aeromonas spp. (Momodu und Savaliya 2020; Rodrigues et al. 2020). Ebenso sind Mycobacterium marinum und Vibrionen manchmal für infektiöse Arthritiden nach Verletzungen im Wasser verantwortlich.
Patienten mit lang dauernder Antibiotika-Therapie haben neben einem erhöhten MRE-Risiko eine höhere Wahrscheinlichkeit für Pilzinfektionen. Auch bei Immunsupprimierten finden sich häufiger Pilze, aber auch Mykobakterien in infizierten Gelenken.
Nach iatrogenen Punktionen und Arthroskopien können insbesondere Erreger der Haut- bzw. Nasen-/Rachen-Flora, wie Cutibacterium acnes (ehemals Propionibacterium acnes), koagulase-negative Staphylokokken (KNS), S. aureus und orale Streptokokken in ein Gelenk verschleppt werden.
Im Rahmen urogenitaler Eingriffe können auch zellwandlose Bakterien des Urogenitaltrakts, wie z. B. Chlamydien, durch transiente Bakteriämien in Gelenke eindringen. Diese „atypischen“ Bakterien sprechen aufgrund der fehlenden Murein-Zellwand nicht auf Beta-Laktam-Antibiotika an.
Bei i. v.-Drogenabusus finden sich neben S. aureus häufiger Enterobakterien, Pilze und Pseudomonas aeruginosa bzw. auch Mischinfektionen im infizierten Gelenk (Momodu und Savaliya 2020).
Ein besonderes Erregerspektrum kann sich bei der septischen Arthritis im Rahmen von Bissverletzungen ergeben, insbesondere nach Katzenbissen mit Pasteurellen, Capnocytophaga canimorsus oder tierspezifischen Neisserien; nach Nagetierbissen mit Streptobacillus moniliformis oder Spirillum minus (Rattenbissfieber) und nach Menschenbissen mit oralen Streptokokken sowie Erregern der HACEK-Gruppe.
Bei etwa 5 % der Patienten kommen polymikrobielle Gelenkinfektionen vor, nicht selten als Folge eines Traumas oder einer abdominellen Infektion. Gelenke mit Vorschädigung, wie z. B. bei rheumatoider Arthritis, sind hoch anfällig für Infektionen (Momodu und Savaliya 2020). Bis zu 47 % von Patienten mit bakterieller Arthritis haben vorbestehende Gelenkprobleme (Rodrigues et al. 2020).
Patienten mit chronischen Harnwegsinfektionen oder kürzlich erfolgter Abdominalchirurgie entwickeln besonders häufig eine infektiöse Arthritis mit gramnegativen Bakterien. Der Anteil von gramnegativen Mikroorganismen schwankt nach Literaturangaben zwischen 5 % und 20 %. Hier spielen Escherichia coli, Pseudomonas aeruginosa und Haemophilus influenzae eine wesentliche Rolle (Lee et al. 2020).
Die virale (septische) Arthritis ist selten und meist ein Begleitbefund, der auf eine virale Primärinfektion oder auf eine chronische Infektion hinweisen kann. Das Bild ähnelt dem einer rheumatoiden Arthritis. Häufigster Erreger der viralen Arthritis bei Erwachsenen in Deutschland ist Parvovirus B19. Differentialdiagnostisch sollte auch an HIV-Infektion, EBV-Infektion und Hepatitis B und C gedacht werden; bei passender Reiseanamnese sind beispielsweise Flaviviren (z. B. Dengue-, Zika-Virus), Alphaviren (z. B. Chikungunya-, Ross-River-Virus) oder andere „tropische“ Viren zu berücksichtigen (Sendi et al. 2018).
Differentialdiagnostisch sollte – insbesondere bei „kulturnegativen“ Formen – auch eine postinfektiöse (posturethritische bzw. postenteritische) Arthritis nach vorausgegangenen Infektionen mit Neisserien, Chlamydien, Myko- und Ureaplasmen, Campylobacter spp., Salmonellen, Yersinien oder Viren bedacht werden. Derartige reaktive Arthritiden beruhen häufig auf einer genetischen Prädisposition und gehen auf immunologische Kreuzreaktionen zurück. Dementsprechend ist der therapeutische Ansatz ein anderer als bei der „klassischen“ septischen Arthritis.

Pathophysiologie und Risikofaktoren

Die Infektion des Gelenkes kann endogen oder exogen ausgelöst werden. Endogene Ursachen sind Organinfektionen (Herz, Nieren, Leber, Pankreas), einliegende invasive Katheter, Implantate und Hautaffektionen wie Erysipel, Intertrigo oder Psoriasis (Schmidt und Bühler 2019). Exogene Ursachen sind gelenknahe Wunden oder offene Frakturen sowie iatrogene Verletzungen der Haut und Weichteile. Hierzu zählen auch Punktionen, Injektionen sowie Arthroskopien und der künstliche Gelenkersatz (Schmidt und Bühler 2019).
Zur infektiösen Arthritis kommt es im Rahmen einer bakteriellen Invasion der Synovialis und des Gelenkraumes infolge eines entzündlichen Prozesses. Die sehr gut durchblutete Synovialis besitzt keine schützende Basalmembran gegen Infektionen auf endogenem (hämatogenem und lymphogenem) Weg. Leukozyten, proinflammatorische Zytokine und Proteasen vermitteln die Gelenkzerstörung, die auch durch bakterielle Toxine (z. B. bei S. aureus, beta-hämolysierenden Streptokokken) begünstigt wird. Bakterienspezifische Oberflächenproteine (Adhäsine) sind an der Ausbildung eines Biofilms beteiligt, der die Bakterien vor dem Immunsystem und vor Antiinfektiva schützt (Momodu und Savaliya 2020).
Risikogruppen für komplizierte und protrahierte Verläufe sind Neonaten, Hämophilie-Patienten mit einem Hämarthros, Immunsupprimierte (z. B. Sichelzell-Anämie, HIV-Infektion, Hypogammaglobulinämie, Steroidtherapie) und Patienten unter Chemotherapie.
Ältere Patienten mit Komorbiditäten wie kardiovaskulären Erkrankungen scheinen häufiger eine septisch verlaufende IA zu erleiden.
Weitere Risikofaktoren sind ein Alter ab 80 Jahre, Diabetes mellitus, dialysepflichtige Niereninsuffizienz, rheumatoide Arthritis, immunmodulierende medikamentöse Therapien (z. B. TNF-alpha-Blocker), vorangegangene Gelenkoperationen, Gelenkprothesen, Hautinfektionen und -ulzerationen, eine vorbestehende Arthrose, infektiöse Geschlechtskrankheiten (z. B. Gonorrhö) sowie alle Faktoren, die zu einer Sepsis führen (Schmidt und Bühler 2019; Momodu und Savaliya 2020). Auch vorangegangene intraartikuläre Injektionen, insbesondere mit Steroiden, erhöhen das Infektionsrisiko. Deshalb sollten Steroidinjektionen in ein Gelenk möglichst vermieden werden, wenn innerhalb der nächsten 6 Monate an diesem Gelenk ein operativer Eingriff erfolgen soll.

Diagnostik

Die IA tritt in der Regel als akute monoartikuläre Erkrankung auf und geht mit Gelenkschmerzen, Fieber, Schwellung und einer Störung der Beweglichkeit einher. Fieber tritt bei 40 bis 60 % der Fälle auf, ist jedoch kein spezifisches Zeichen. Beim Erwachsenen ist am häufigsten das Kniegelenk betroffen. 20 % der Fälle sind jedoch oligoartikulär, z. B. im Rahmen einer schweren Sepsis, einer Immunschwäche, rheumatoiden Arthritis oder verschiedener Komorbiditäten.
Idealerweise wird die IA durch den Nachweis von Bakterien in der Synovialflüssigkeit bestätigt. Die Diagnose wird in der Praxis jedoch hauptsächlich durch die klinische Untersuchung gestellt, ergänzt durch die Punktion zur Gewinnung von Gelenkflüssigkeit und deren Analyse, laborchemische Untersuchungen und die Bildgebung.

Anamnese

Betroffene Patienten stellen sich mit lokalen Symptomen in Form von Schmerzen, Gelenkschwellung, Überwärmung, eingeschränkter Beweglichkeit, Hinken und Funktionsstörung vor. Systemische Symptome sind Krankheitsgefühl, Fieber, Tachykardie, Reizbarkeit, Appetitlosigkeit.

Klinische Untersuchung

Die Befunde sind teils nahezu unauffällig, mit geringem anhaltendem Erguss bis hin zum akuten septischen Krankheitsbild, welches lebensbedrohlich ist. Im typischen klinischen Befund findet sich häufig ein Erguss, die Beweglichkeit ist schmerzhaft eingeschränkt und die Palpation erbringt Schmerzen.

Labor und Gelenkpunktion

Das Serum-CRP ist einer der wichtigsten Faktoren zur Identifikation von bakteriellen Entzündungen. Weitere Tests beinhalten ein komplettes Differentialblutbild, die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und Blutkulturen (nicht nur bei Fieber, da auch afebrile bakteriämische Verläufe möglich sind). Erhöhung von BSG und CRP sind dabei typisch, ebenso wie eine linksverschobene Leukozytose, aber nicht beweisend.
Die häufigste Laboruntersuchung betrifft die Synovialflüssigkeit des betroffenen Gelenkes in Form von Kultur, Gramfärbung, Kristallanalyse und Zählung der weißen Blutzellen. Die Gelenkpunktion wird nur bei Sepsis und umgehender Operation nicht durchgeführt. Sie erfolgt unter streng aseptischen Kautelen.
Bei einer Zellzahl > 50.000 und ausgeprägter Neutrophilie besteht der starke Verdacht auf einen Infekt (Margaretten et al. 2007). Bei der Zelldifferenzierung findet sich typischerweise eine leukozytäre Linksverschiebung. Eine niedrige Zellzahl kann bei einer peripheren Leukopenie, einem frühen Infektionsstadium, einer disseminierten Gonokokken-Arthritis und bei vorhandenen Gelenkprothesen vorkommen. Bei einliegender Prothese sind Zellzahlen > 1100 und neutrophile Granulozyten von 64 % ein starker Hinweis auf eine septische Arthritis (Horowitz et al. 2011).
Die mikrobiologische Untersuchung (Abstrich, Beimpfung von Blutkulturröhrchen mit 8–10 ml Punktat) erfolgt zur Bestätigung der Diagnose und zur zielgerichteten Antibiotikatherapie.
Cave
Ein negatives Kulturergebnis schließt eine bakterielle Gelenkinfektion nicht aus (Schmidt und Bühler 2019).

Bildgebung

Röntgen und Sonographie

Radiologisch ist eine Erweiterung der Gelenkspalte möglich; in den Weichteilen bildet sich ein praller Erguss ab. Möglich sind auch subchondrale Gelenkveränderungen (Gächter 1993). Ein normales Röntgenbild schließt eine septische Arthritis jedoch nicht aus.
Die Sonografie ist geeignet, um den Gelenkerguss nachzuweisen und zu quantifizieren.

Magnetresonanztomographie (MRT)

Das MRT ist sensitiv für den frühen Nachweis von Gelenkflüssigkeit und kann abnorme Veränderungen der umgebenden Weichteile und Knochen darstellen, ebenso wie das Ausmaß der Knorpelbeteiligung.

Computertomographie (CT)

Die CT-Untersuchung ist bei infektiöser Arthritis geeignet, kleine Sequester zu zeigen; man kann damit gut das Ausmaß der Demineralisation bewerten.

Knochenszintigraphie

Die Szintigraphie ist nicht spezifisch und kann nicht zwischen einer infektiösen und einer sterilen Veränderung differenzieren. Für die Diagnostik beispielsweise am Kniegelenk ist sie nicht geeignet.

Histologie

Die histologische Untersuchung der intraoperativ gewonnenen Gewebeproben ist eine wichtige Ergänzung zur mikrobiologischen Diagnostik. Hiermit lassen sich vor allem bei fehlendem Erregernachweis eitrige Entzündungen ausschließen. Die Histologie kann Hinweise auf differentialdiagnostisch wichtige Krankheitsbilder wie Rheumatoide Arthritis oder Gichtarthropathie geben.

Differenzialdiagnosen

Differenzialdiagnosen für eine akute monoartikuläre Arthritis sind (Momodu und Savaliya 2020):
1.
Infektion: kulturell anzüchtbare Bakterien, Spirochäten, Chlamydien und Mykoplasmen/Ureaplasmen, Pilze, Viren.
 
2.
Kristallinduzierte Arthropathien: akute Gicht, Pseudogicht, Calciumoxalat, Cholesterol, Hydroxylapatitkristalle.
 
3.
Aktivierte Gonarthrose.
 
4.
Intraartikuläre Verletzung: Fraktur, Meniskusriss, Osteonekrose, Fremdkörper.
 
5.
Entzündliche Arthritis: Rheumatoide Arthritis, Behcet-Syndrom, seronegative Spondylarthropathie, Psoriasis-Arthritis, Reaktive Arthritis, Sarkoidose, Systemischer Lupus erythematodes, Still-Erkrankung.
 
6.
Systemische Infektionen: Bakterielle Endokarditis, HIV-Infektion, Lyme-Arthritis.
 
7.
Tumore: Metastasen, pigmentierte villonoduläre Synovialitis.
 
8.
Andere: Hämarthros, Blutungsstörungen bei Antikoagulanzien-Therapie, neuropathische Arthropathie, Dialyse-assoziierte Amyloidose, avaskuläre Nekrosen.
 

Therapie

Die IA kann zu einer raschen Zerstörung des Gelenkknorpels mit anhaltender Gelenkzerstörung führen. Aus diesem Grund ist die schnelle operative Versorgung und gezielte antimikrobielle Therapie wichtig für den Erhalt des Gelenkes und die Vermeidung von Komplikationen. Patienten mit IA sollten daher umgehend stationär aufgenommen werden (Pool et al. 2020).
Die Behandlung besteht zunächst in einer Drainage des betroffenen Gelenks (Arthrotomie, Arthroskopie oder Punktion) in Kombination mit einer antimikrobiellen Therapie. Wichtig ist die unmittelbare Vorbereitung der chirurgischen Versorgung. Eine alleinige Punktion als Entlastung ist nicht ausreichend.
Die definitive standardisierte Versorgung der IA beinhaltet die umgehende operative Versorgung mit Spülung und Débridement und zunächst kalkulierter, dann ggf. gezielter antibiogrammgerechter intravenöser Antibiotikatherapie. Die operative Versorgung und Spülung kann arthroskopisch oder über eine offene Arthrotomie erfolgen. Ziel ist die Entfernung von Eiter- und Fibrinflocken sowie die Minimierung der intraartikulären bakteriellen Belastung. Eine verzögerte Therapie kann zu irreversiblen Schädigungen des Gelenkknorpels führen, zur Verstärkung der Infektion und zur Sepsis (Stake et al. 2020).
Da Staphylokokken und Streptokokken die häufigsten Ursachen für IA sind, spielt die empirische Antibiotikatherapie gegen diese Erreger eine wesentliche Rolle bei der Behandlung. Allerdings sollte auch die noch immer relativ hohe Prävalenz von Infektionen durch Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) bedacht werden (Lee et al. 2020; George et al. 2019).
Stadium I bis III nach Gächter sind der Arthroskopie zugänglich. Im Stadium IV ist ein offenes Vorgehen vorzuziehen. Im Stadium II und III müssen Fibrinbeläge entfernt werden. Bis Stadium II wird empfohlen, die Synovialis als „Keimbarriere“ zu belassen, im Stadium III und IV sollte sie reseziert werden. Eine lokale Antibiotikatherapie im Rahmen des operativen Vorgehens wird empfohlen (antibiotikabeladene Kollagenschwämme) (Mabille et al. 2020).
Eine empirische bzw. kalkulierte intravenöse antibiotische Behandlung sollte unmittelbar nach Gewinnung von Material für die Mikrobiologie eingeleitet werden. Ziel ist neben der Behandlung des septischen Gelenkes die Unterbindung einer möglichen hämatogenen Streuung und damit die Vermeidung septischer Metastasen.
In der Regel richtet sich die empirische Antibiotikatherapie gegen grampositive Bakterien. Das Risiko, gramnegative Bakterien dabei nicht adäquat mit zu behandeln, ist abhängig vom individuellen Risikoprofil des Patienten als relevant einzuschätzen. Bei periprothetischen Gelenkinfektionen spielen insbesondere Staphylococcus aureus und Koagulase-negative Staphylokokken (KNS) eine wichtige Rolle (Lee et al. 2020).
Die systemische Antibiotikatherapie muss daher vor allem Staphylokokken in allen Alters- und Risikogruppen adäquat umfassen (Flucloxacillin, Cefazolin, Clindamycin oder Vancomycin). Bei V. a. MRSA ist die intravenöse Gabe von Vancomycin, Daptomycin oder Linezolid geeignet. Für die Therapie mit Vancomycin ist das nephrotoxische Potential der Substanz zu beachten. Ein regelmäßiges Monitoring der Vancomycin-Talspiegel und der Retentionsparameter der Patienten ist obligat, bei S. aureus Infektionen soll nach AUC (bestimmtes Integral unter der Kurve, engl. Area Under the Curve) dosiert werden (Rybak et al. 2020). Linezolid kann in Kombination mit zahlreichen Arzneistoffen (Opioiden, Antidepressiva) ein Serotoninsyndrom hervorrufen. Die Therapiedauer mit Linezolid ist wegen Myelotoxizität auf maximal 28 Tage begrenzt. Bei immunsupprimierten Patienten, Patienten mit i. v.-Drogenabusus oder hohem Risiko für Infektionen durch gramnegative Bakterien umfassen Drittgenerationscephalosporine wie Ceftriaxon, Cefotaxim oder Ceftazidim das zu erwartende Erregerspektrum adäquat.
Alter, individuelle Risikofaktoren und die Ergebnisse der Gramfärbung sollten bei der Auswahl der Antibiotika unbedingt beachtet werden (z. B. Einsatz von Cephalosporinen der dritten Generation bei V. a. Salmonellen oder Neisseria gonorrhoeae).
Eine durch grampositive Erreger verursachte infektiöse Arthritis wird für gewöhnlich intravenös mit Antibiotika für über 2 Wochen, gefolgt von 1 bis 2 Wochen oraler Sequenztherapie behandelt. Geeignet für eine Oralisierung sind Arzneistoffe mit einer guten Bioverfügbarkeit (Tab. 2). Orale Betalaktame (Flucloxacillin, Cefuroxim) erreichen aufgrund ihrer geringen Bioverfügbarkeit nur insuffiziente Gewebespiegel. Eine länger andauernde antibiotische Therapie für 4 bis 6 Wochen kann bei Infektionen durch Pseudomonas aeruginosa erwogen werden. Lange Therapien können post-stationär als sog. ambulante parenterale antiinfektive Therapie (APAT) fortgeführt werden. Über individuell hergestellte Elastomerpumpen appliziert der Patient das Antiinfektivum selbst zu Hause. Diese in Deutschland noch relativ neue Versorgungsform erfordert die Etablierung entsprechender logistischer Strukturen sowie ein hohes Maß an Eigenverantwortung des Patienten. Vorteile der APAT sind Reduktion der stationären Verweildauer und eine Erhöhung der Patientenzufriedenheit (Stegemann et al. 2019).
Tab. 2
Antiinfektiva mit guter Bioverfügbarkeit, geeignet für eine Oralisierung (Auswahl) (S3-Leitlinie 2018, „Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus“)
Für eine Oralisierung geeignete Antiinfektiva
Antibiotika
Ciprofloxacin
Clindamycin
Cotrimoxazol
Doxycyclin
Levofloxacin
Linezolid
Metronidazol
Moxifloxacin
Rifampicin
Antimykotika
Fluconazol
Voriconazol
Eine Gonokokken-Arthritis wird intravenös mit Ceftriaxon oder Cefotaxim behandelt, nach klinischer Besserung ist eine orale Sequenztherapie mit Cefixim oder Azithromycin möglich.
Periprothetische Infektionen benötigen ein eigenes standardisiertes Vorgehen (s. Kap. „Periprothetische Infektionen“).
Virale Arthritiden werden – je nach Virus – antiviral (z. B. HIV, Hepatitis B, C), immunmodulatorisch oder symptomatisch (z. B. Flaviviren, Alphaviren, Parvovirus B19) behandelt.

Komplikationen

Verzögerte Diagnostik und operative sowie systemische antibiotische Therapie können den Verlauf der Erkrankung stark negativ beeinflussen und zu ernsten Komplikationen führen. Dazu gehören insbesondere (Momodu und Savaliya 2020):
2.
Chronische Schmerzen
 
4.
Beinlängenunterschiede
 
5.
 
6.
Tod
 

Nachbehandlung

Von großer Bedeutung zur Wiederherstellung der Funktion ist die Weiterbehandlung mittels Schmerztherapie und Physiotherapie.
2 bis 3 Tage postoperativ kann die Immobilisation des Gelenkes aufgehoben werden, dann folgt eine aggressive Physiotherapie zur Wiederherstellung der Gelenkfunktion und zur Vermeidung einer Muskelatrophie.
Der Wechsel von stationärer in ambulante Behandlung ist übergangslos zu organisieren, damit kein Funktionsverlust eintritt (Schmidt und Bühler 2019).

Prognose

Die Prognose der IA ist von der raschen Diagnose und dem schnellstmöglichen Beginn einer adäquaten Therapie abhängig. Dies gilt besonders für Patienten mit bekannten prädisponierenden Risikofaktoren und Begleiterkrankungen. Andernfalls kann sich die Prognose verschlechtern, einhergehend mit anhaltenden Beschwerden, Funktionsminderung oder sogar Verlust des Gelenkes. Eine alleinige Entlastungspunktion auch unter laufender Antibiotikabehandlung bringt kaum Nutzen. Vielmehr ist – außer bei Säuglingen, Kleinkindern und Kindern – eine rasche operative Versorgung dringend indiziert. Wichtig ist eine suffiziente begleitende systemische Antibiose (Schmidt und Bühler 2019). Eine verzögerte oder inadäquate Behandlung kann in bis zu 11 % der Fälle zu irreversiblen Gelenkschäden führen (Rodrigues et al. 2020). Die Inzidenzrate einer Osteomyelitis wird in der Literatur mit 8 % angegeben (Abram et al. 2020).
Trotz antibiotischer Therapie beträgt die Mortalitätsrate bei infektiöser Arthritis bis zu 15 %. Sie steigt mit dem Alter, Begleiterkrankungen und vorbestehenden Gelenkerkrankungen sowie einliegendem intraartikulären Material an. Infektionen mit Neisserien verlaufen selten letal, während Infektionen mit Staphylokokken zu einer Mortalitätsrate von bis zu 50 % führen können (Momodu und Savaliya 2020). Etwa 7 % der Patienten, die eine arthroskopische Spülung bei septischer Kniegelenksarthritis hatten, verstarben innerhalb von 90 Tagen und 1 % der Patienten mit einer Kniegelenkstotalendoprothese verstarben innerhalb eines Jahres bzw. 9 % innerhalb von 15 Jahren (Abram et al. 2020). Insgesamt lässt sich allerdings ein Rückgang der Mortalitätsrate innerhalb der letzten 20 Jahre feststellen (Abram et al. 2020).
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