Skip to main content

27.04.2023 | Endokarditis | Nachrichten

Infektiöse Endokarditis: Schrittmacher-/ICD-Sonde muss raus!

verfasst von: Veronika Schlimpert

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Wenn Menschen mit ICD oder Schrittmacher eine infektiöse Endokarditis entwickeln, sollte die Sonde entfernt werden – eine Klasse Ia-Indikation. Im Praxisalltag wird die Leitlinienempfehlung aber oftmals nicht umgesetzt, zeige US-Daten. „Nicht akzeptierbar“, sagen Experten dazu.

Nur einer von acht Patienten mit einem implantierten elektronischen kardialen Device erhält in den USA eine Sondenextraktion, wenn eine infektiöse Endokarditis diagnostiziert wird. Über diese desolate Statistik berichten Dr. Christopher Sciria, Universität Rochester, und Kollegen jetzt im „Journal of the American College of Cardiology”.

Sondenextraktion bei infektiöser Endokarditis ist eine Klasse Ia-Indikation

Die aktuellen Ergebnisse sind insofern sehr beunruhigend, da die Entfernung von Schrittmacher- oder Defibrillator-Sonden im Falle einer infektiösen Endokarditis laut Leitlinien eine Klasse Ia-Indikation darstellt. Denn eine Extraktion steigert Studien zufolge die Überlebenschancen der betroffenen Patientinnen und Patienten deutlich.

Trotzdem scheinen sich viele US-Kardiologen gegen einen solchen Eingriff zu entscheiden. In der nationalen NRD-Datenbank („nationwide readmission database“), die ca. 50% aller US-Krankenhäuser umfasst, konnten Sciria und sein Team im Zeitraum von 2016 bis 2019 insgesamt 25.303 Klinikeinweisungen von Personen mit einem implantierten kardialen Device und einer diagnostizierten systemischen infektiösen Endokarditis ausfindig machen. Bei gerade mal 11,5% wurde die Sonde deshalb entfernt. Zwar war während des Beobachtungszeitraumes ein Zuwachs an vorgenommenen Sondenextraktionen zu verzeichnen (von 7,6% in 2016 auf 14,9% in 2019), dieser wirkte sich aber nicht auf die Gesamtmortalität der Endokarditis-Patienten aus, die über diesen Zeitraum konstant blieb (frühe Mortalität [Index- und 30-Tages-Sterblichkeit kombiniert] in 2016: 9,8%, 2019: 9,7%). 

Sterberisiko nach Sondenextraktion deutlich niedriger

Experten zufolge legen diese Ergebnisse ein Missmanagement dieser Patientenpopulation offen: „Wenn keine eindeutigen ausschließenden Faktoren für eine Sondenextraktion wie eine terminale Erkrankung oder eine Präferenz des Patienten vorliegt, ist keine andere Strategie akzeptierbar für das Management von Patienten mit implantierbaren elektronischen kardialen Devices und einer infektiösen Endokarditis“, machen Dr. Ayman Hussein von der Cleveland Clinic und weitere Kardiologen in einem begleitenden Editorial deutlich.

Untermauert wird dieses Statement durch weitere Ergebnisse der Datenbankanalyse. So war eine Sondenextraktion unabhängig von anderen Einflussfaktoren mit einem mehr als 50% niedrigen Sterberisiko assoziiert (adjustierte Odds Ratio, OR: 0,47; p ˂ 0,001). Die frühe Mortalität betrug in der Gruppe mit Sondenextraktion 6,8% vs. 9,5% bei den Patienten, deren Device-Sonden nicht entfernt wurden (p ˂ 0,001). Außerdem kam es im Zuge einer Sondenextraktion nur selten zu Komplikationen, nämlich in 2,7% der Fälle, nur 0,4% der Patienten verstarben daran.

Warum sich Ärzte gegen den Eingriff entscheiden

Doch warum entscheiden sich Ärzte gegen einen solchen Eingriff, der eindeutig mehr Vorteile als Nachteile zu bringen scheint? Den Autoren zufolge sind die Gründe für die geringe Nutzung vielfältig. In der Analyse gingen ein höheres Alter, weibliches Geschlecht und ausgeprägte Begleiterkrankungen wie Nierenerkrankungen, zerebrovaskuläre Störungen oder Demenz mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit für eine durchgeführte Sondenentfernung einher. „Bedenken über ein erhöhtes Risiko durch die Leadextraktion bei Patienten mit einer hohen Komorbidität oder einer schlechten Prognose könnten zur Entscheidung, eine Leadextraktion nicht vorzunehmen, geführt haben“, folgern die Kardiologen daraus.

Die Anwesenheit eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillators (ICD), einer S. aureus-Infektion sowie die Einweisung in eine große Klinik gingen wiederum mit einer höheren Chance für einen Sondeneingriff einher. Die Autoren schließen daraus, dass auch potenzielle Wissenslücken bei den Ärzten, ein limitierter Zugang zu Spezialisten, die Sondenextraktionen durchführen können, und fehlendes Equipment die dokumentierte Unterversorgung von Personen mit infizierten kardialen Devices erklären könnten. „Die Diagnose einer infektiösen Endokarditis bei Patienten mit implantierbaren kardialen Devices rechtfertigt eine Sondenextraktion, unabhängig davon, ob eine Evidenz aus der Bildgebung für eine Sondenvegetation oder ein Beweis für eine Device-Infektion durch die körperliche Untersuchung vorliegt“, entgegnen die Autoren den womöglich existenten Unsicherheiten.  

print
DRUCKEN
Literatur

Sciria CT et al. Low Utilization of Lead Extraction Among Patients With Infective Endocarditis and Implanted Cardiac Electronic Devices. J Am Coll Cardiol. 2023, 81(17):1714–25

Hussein AA et al. Cardiac Implantable Electronic Devices and Infective Endocarditis: A Call to Arms. J Am Coll Cardiol. 2023,81(17):1726–28

Weiterführende Themen

Leitlinien kompakt für die Innere Medizin

Mit medbee Pocketcards sicher entscheiden.

Seit 2022 gehört die medbee GmbH zum Springer Medizin Verlag

Hodgkin Lymphom: BrECADD-Regime übertrifft die Erwartungen

05.06.2024 ASCO 2024 Kongressbericht

Das Kombinationsregime BrECADD mit Brentuximab vedotin ermöglichte in der Studie HD21 beim fortgeschrittenen klassischen Hodgkin-Lymphom eine unerwartet hohe progressionsfreie Überlebensrate von 94,3% nach vier Jahren. Gleichzeitig war das Regime besser tolerabel als der bisherige Standard eBEACOPP.

Antikörper-Drug-Konjugat verdoppelt PFS bei Multiplem Myelom

05.06.2024 ASCO 2024 Nachrichten

Zwei Phase-3-Studien deuten auf erhebliche Vorteile des Antikörper-Wirkstoff-Konjugats Belantamab-Mafodotin bei vorbehandelten Personen mit Multiplem Myelom: Im Vergleich mit einer Standard-Tripeltherapie wurde das progressionsfreie Überleben teilweise mehr als verdoppelt.

Neuer TKI gegen CML: Höhere Wirksamkeit, seltener Nebenwirkungen

05.06.2024 Chronische myeloische Leukämie Nachrichten

Der Tyrosinkinasehemmer (TKI) Asciminib ist älteren Vertretern dieser Gruppe bei CML offenbar überlegen: Personen mit frisch diagnostizierter CML entwickelten damit in einer Phase-3-Studie häufiger eine gut molekulare Response, aber seltener ernste Nebenwirkungen.

Hereditäres Angioödem: Tablette könnte Akuttherapie erleichtern

05.06.2024 Hereditäres Angioödem Nachrichten

Medikamente zur Bedarfstherapie bei hereditärem Angioödem sind bisher nur als Injektionen und Infusionen verfügbar. Der Arzneistoff Sebetralstat kann oral verabreicht werden und liefert vielversprechende Daten.

Update Innere Medizin

Bestellen Sie unseren Fach-Newsletter und bleiben Sie gut informiert.