18.12.2023 | Ikterus | Übersichten
Vor 100 Jahren: die erste Austauschtransfusion bei Icterus gravis des Neugeborenen
verfasst von:
Dr. Stephan Heinrich Nolte
Erschienen in:
Monatsschrift Kinderheilkunde
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Zusammenfassung
Kurz vor Weihnachten 1924 wurde von Alfred Puvis Hart (1888–1954) in Toronto die erste bekannte Blutaustauschtransfusion bei Icterus gravis eines Neugeborenen vorgenommen, in Unkenntnis maternofetaler serologischer Konflikte zur Entfernung „unbekannter zirkulierender Toxine“. Vorerfahrungen mit Austauschtransfusionen bestanden dort durch Lawrence Bruce Robertson (1885–1923), der als Feldarzt im 1. Weltkrieg diese Technik bei Sepsis, schweren Verbrennungen und anderen Fällen und später am SickKids auch bei Kindern angewandt hatte. Trotz erfolgreicher Behandlung wurde die Technik nicht weiterverfolgt. Der polnische Pädiater Stanisław Progulski (1874–1941) behandelte 1939 in Lwów mit seiner Assistentin Irena Lille-Szyszkowicz (1904–1989), von der auch das Blut stammte, eine Austauschtransfusion bei Icterus gravis eines Neugeborenen. Nach der Entdeckung des Rhesusfaktors durch Alexander Solomon Wiener (1907–1976) wurde 1944 das Thema weiterverfolgt, scheiterte aber an Thrombosekomplikationen. Erst nachdem Louis Diamond (1902–1999) den Zugang über einen Nabelvenenkatheter beschrieb, breitete sich die Technik aus. Eine frühe Behandlung im Nachkriegspolen wird beschrieben, wie auch des Autors persönliche Erfahrung. Aufgrund der Suche nach irregulären Antikörpern in der Schwangerschaft, der anti‑D Prophylaxe und anderer Behandlungsmöglichkeiten ist die einst weit verbreitete Austauschtransfusion beim Morbus haemolyticus neonatorum heute eine Rarität.