Erschienen in:
11.03.2024 | Psychiatrische Notfälle | Übersichten
Psychiatrie ohne Zwang – den Zwang ausschließen oder Patient:innen?
verfasst von:
Dr. Wolfram Voigtländer, Ilse Eichenbrenner, Detlev Gagel, Dieter Lehmkuhl, Matthias Rosemann, Petra Rossmanith
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 5/2024
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Zusammenfassung
Hintergrund
Mit Bezug auf die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) wurde 2019 von Zinkler und von Peter, aus juristischer Sicht unterstützt von Kammeier, eine grundlegende Veränderung der psychiatrischen Versorgung in Deutschland vorgeschlagen, die zu kontroversen Debatten geführt hat. Im Kern geht es darum, den Zwang in der Psychiatrie nicht nur auf ein Mindestmaß zu reduzieren, sondern ihn in einer nur noch helfenden Psychiatrie grundsätzlich auszuschließen. Die Ordnungsfunktion soll von der Psychiatrie an staatliche Institutionen zurückgegeben werden. Psychiatrische Kliniken werden Patient:innen nur noch mit deren Zustimmung aufnehmen; Patient:innen, die eine Behandlung ablehnen, werden unabhängig von ihrer Fähigkeit zur Selbstbestimmung nicht aufgenommen und bleiben unbehandelt oder werden, wenn sie eine Straftat begangen haben oder drohen, eine Straftat zu begehen, nach den für alle Menschen geltenden juristischen Regelungen ggf. in Gewahrsam genommen bzw. ins Gefängnis gebracht. Dort werden sie psychiatrisch betreut, sofern sie dies wünschen.
Ziel der Arbeit
Das vorliegende Papier skizziert den Hintergrund dieses Konzepts einschließlich internationaler Quellen, zeichnet die Diskussion in der deutschen Fachliteratur nach und setzt sich damit kritisch auseinander.
Ergebnisse
Unsere Kritik richtet sich vor allem dagegen, dass die Verantwortung für einen relevanten Teil der psychiatrischen Patient:innen an Polizei und Justiz abgegeben würde und als Folge zwei Versorgungsrealitäten etabliert würden, die sich in ihrer Qualität erheblich unterscheiden würden.
Schlussfolgerungen
Es werden Argumente für die Beibehaltung der Ordnungsfunktion angeführt und Überlegungen angedeutet, wie fürsorglicher Zwang weitgehend minimiert werden kann.